DEUTSCH

Oder ist er zu billig? Und wo bleiben die Schwachen?

 

Sozial-Schwache Haushalte sollen für Hetzkampagne gegen Erneuerbare Energien herhalten.

Auf der öffentlichen Diskussionsveranstaltung des Vierether Kuckucks-Ei erläutert zunächst Vorstand Christian Mose wie sich aktuell der Strompreis zusammensetzt.
Er führt dann aus, daß die Strompreise in den vergangenen 10 Jahren um 10 Ct/kWh gestiegen sind.
Davon gehen ca. 3,3 Ct/kWh aufs Konto der EEG-Umlage; alles andere wird in der Öffentlichkeit nicht weiter diskutiert - es wird bewußt unterdrückt. Daher ist es unredlich, den Preisanstieg allein den Regenerativen Energien anzulasten. Zudem geht es insgesamt nur um ca. 3.5% der Ausgaben für Energie in durchschnittlichen Privathaushalt, der zu rund 3/4 vom Preis für Benzin/Diesel und Heizkosten dominiert wird.
"Die ganze Aufregung erscheint übertrieben, wenn man sich vor Augen führt, um wie wenig Geld es hier geht im Vergleich zur Bankenkrise oder der Euro-Rettung", rückt Mose die Maßstäbe zurecht.

Mit diesem Fazit gibt er den Stab an seinen Kollegen, Dr. Jens Garleff, weiter, der die Kosten der verschiedenen Energieträger in volkswirtschaftlichen Gesamtrahmen platziert. Atomar-fossile Energieträger wurden und werden zusammen mit rund 430 Mrd. Euro fast 10 mal so hoch subventioniert wie die regenerativen Energien mit 54 Mrd. Euro. Die regenerativen Energien schaffen ca. doppelt soviel Arbeitsplätze (383.000 Beschäftigte) wie die großen 4 Stromriesen, die nach eigene Angaben zusammen lediglich ca. 180.000 Menschen Arbeit geben.
Erneuerbare Energien sind nur scheinbar teurer als die fossil-atomare Stromerzeugung, weil letztere massiv Kosten auf den Steuerzahler abwälzt, bzw. den nächsten Generationen zuschiebt. Diese Kosten tauchen aber nicht in den Bilanzen auf und sind daher schwer auf Heller und Pfennig zu beziffern. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sie unwichtig wären. Es geht hier um 4 große, Blöcke:
1. Luftverschmutzung: Gesundheitskosten, Waldsterben beeinträchtigt die Forstwirtschaft usw..
2. Klimawandel und deren Kosten: Auswirkungen z.B. Meeresspiegelanstieg, Küstenschutz, Wetterextreme, Verschiebung der Klimazonen.
3. Altlasten: z.B. kollabierende Endlager für Atommüll, Rückbau der AKW.
4. Haftungsrisiko (AKW sind völlig unzureichend gegen den SuperGau versichert) Geschätzt summieren sich diese versteckten Kosten auf min. 10 Ct/kWh bei Kohlestrom und min 35 Ct/kWh bei Atomstrom. Damit ist Windstrom jetzt schon günstiger, wenn man ehrlich rechnet.

Unabhängig von den Kosten sind die fossil-atomaren Energieträger endlich und reichen nicht weiter in die Zukunft als ein paar zehn (Öl) bis vielleicht einige Hundert Jahre (Kohle, Uran). Wir Menschen haben langfristig keine andere Option als die Erneuerbaren Energien. Wer sich jetzt rechtzeitig umstellt, ist vor dem Schock gefeit. Wer jetzt die Energiewende gestaltet muss später nicht einfach das nehmen, was übrig bleibt.

Insgesamt ist damit zu rechnen, daß die Strompreise langfristig ansteigen, mindestens auf das Niveau der Erneuerbaren.
Dieser höhere Strompreis gibt zugleich einen verstärken Anreiz für sparsamen Umgang mit Energie und mehr Effizienz. Natürlich stellen höhere Strompreise die sozial schwachen Haushalte vor Probleme. Daher führt Karin Zieg aus, wie man die unvermeidlich steigenden Preise sozialverträglich abfedern kann.
Das wichtigste Element ist ein vergünstigter "Sozialtarif" zu dem Empfänger von Sozialleistungen eine Basisversorgung beziehen können. Dieser verbilligte Tarif soll nur für die Energiemenge gewährt werden, die ein Haushalt durchschnittlich benötigt, der moderne Stromspargeräte (z.B. A+ Standard) sinnvoll einsetzt. Dadurch bleibt auch hier ein gewisser Anreiz zum Stromsparen bestehen. Mit dem Tarif ist eine kostenlose Energiesparberatung verknüpft, die hilft, daß der Stromverbrauch innerhalb dieser Basisversorgung bleibt. Anstelle der Industrieförderung durch eine Fast-Befreiung der industriellen Großverbraucher auf Kosten der Normalverbraucher, wäre es sozialer, den Sozialtarif für Arme aufkommensneutral umzusetzen, indem die Strompreise für alle anderen entsprechend angehoben werden. Vergünstigungen für industrielle Großverbraucher verzerren dagegen den Wettbewerb zugunsten nicht-nachhaltiger Produkte, das kann nicht Ziel sein für deutsche Qualitätsprodukte und ist daher an sich unerwünscht. Über begründete Ausnahmen könnte man in wenigen Einzelfällen nachdenken. Weitere Ideen sind strengere Auflagen für den energetischen Standard von Sozialwohnungen, was Heizung und vom Vermieter gestellte Weißware betrifft, sowie eine Palette von Maßnahmen und Hilfsangeboten zur Bekämpfung der Armut.
Wir haben jetzt noch die Möglichkeit eine Energiewende "by design" umzusetzen und das Beste daraus zu machen. Dazu müssen wir alle einen Beitrag leisten. Wenn wir uns dem verweigern und zuwarten, wird der Spielraum immer kleiner, bis uns ein SuperGAU oder der Klimawandel extrem schmerzhafte Einschnitte als Energiewende "by disaster" aufzwingt.

Fazit: Ist der Strompreis zu teuer? Und wo bleiben die Schwachen?
Antwort: Der Strompreis ist zu billig, denn es ist offensichtlich, dass Einsparen und Effizienz noch nicht in der Breite angekommen ist. Hier kommt die Hetzkampagne richtig zum tragen: Die Sozial schwachen Haushalte müssen herhalten um von der Unfähigkeit der Politik abzulenken, ablenken von der Tatsache, dass die konservativ-liberale Politik sich vor den Karren der Stromkonzerne spannen läßt, denen die Energiewende ein Dorn im Auge ist, weil sie deren Gewinne schmälert und ihre Marktmacht bedroht.


Und hier eine Schätzung, wie die Zahlen für einen Sozialtarif tatsächlich aussehen würden.
Wir gehen von folgenden Grundlagen (Annahmen) aus:


Die aktuellste Erhebung ist für 2006. Laut Armutsbericht der Bundesregierung waren 13% der Deutschen arm. Allerdings gibt es ernstzunehmende Kritik durch das DIW, daß diese Zahl schöngerechnet ist, v.a. weil die CDU die Debatte über den Mindestlohn klein halten will. Das DIW kommt auf 18% Arme in der Bevölkerung.
Ich habe daher 18% gerechnet, und halte das für einen Wert der nicht zu niedrig angesetzt ist, weil je nach Bundesland maximal 15,2% (in Berlin) der Menschen Sozialleistungen beziehen. Ich habe leider keine Angabe gefunden, wie hoch dieser Anteil bundesweit liegt, aber wohl eher unter 10 % (schon deshalb, weil das bevölkerungsreichste Bundesland NRW mit 8,1% im unteren Mittelfeld liegt).
Das nächste Problem besteht darin, daß man nicht weiß wieviel diese Haushalte verbrauchen; Wenn wir den vergünstigten Basisbedarf pro Person so ansetzen, daß ein realistischer Anreit zum Sparen auch für diesen Personenkreis bleibt, wird nur ein Teil dieser 18% zu subventionieren sein.
Für eine grobe Abschätzung wieviel der Normalstromtarif für Nicht-Arme
zusätzlich belastet würde, lasse ich das alles ausser acht, und rechne so als würde 18% des Stroms der in Haushalten verbraucht wird zum Sozialtarif (5 Ct/kWh günstiger, ungefähr die EEG Umlage) abgegeben wird. Dies würde eine Umlage in Höhe von 1,1 Ct/kWh erfordern, wenn nur die anderen Haushalte damit belastet werden. Wenn man diese Sozial-Umlage gleichmäßig auf allen anderen Stromverbrauch (außer Eigenbedarf der Kraftwerke) umlegt, wären ca. 0,27 Ct/kWh zu bezahlen.
Dies ist insgesamt eine "zu teure Abschätzung", weil ich den Anteil der
Berechtigten mit 18% großzügig angesetzt habe, und außerdem vernachlässige, daß nicht 100% von deren Stromverbrauch zum Sozialtarif erfolgen soll. Zum dritten gehe ich davon aus, daß Arme im Mittel weniger Strom verbrauchen als Reiche, weil reiche Leute luxuriöser leben, und daher mehr und größere Geräte haben und benutzen. Die realen Belastungen dürften wohl bei <1 Ct/kWh (nur Haushalte zahlen) bzw. bei <0,2 Ct/kWh (auch Gewerbe und Haushalte zahlen) liegen. Bei durchschnittlich 1000 kWh im Jahr pro Person, würde jeder normal bis
gutsituierte Deutsche die Armen im Land mit maximal 10 E pro Jahr unterstützen.

Selbst wenn nur die Haushalte belastet würden, wäre die Umlage für den
Sozialtarif niedriger, als die jetzige Befreiung großer Teile der Großindustrie die Haushalte zusätzlich belastet. Ich gehe davon aus, daß es den Menschen viel leichter zu vermitteln ist, solidarisch mit den Armen zu sein, als daß sie eine Umlage bezahlen sollen, damit die Industrie entlastet wird.

Grafiken

Anteil Stromkosten im Durchschnittshaushalt
Staatl. Förderungen der Stromerzeugung 1970-2012
Nutzen der Erneuerbaren Energie
Erneuerbare in Bürgerhand