Aus der Sicht vieler Verbraucherinnen und Verbraucher verliert sich die Auseinandersetzung mit Energieversorgungsunternehmen um unbillige Energiepreise in für Laien unverständliche juristische Fragestellungen. Scheinbar vorbei die Zeiten, wo jeder durch einen einfachen Widerspruch seinen Unmut über ungerechtfertigte Energiepreise ausdrücken, die Rechnungen schlicht kürzen und sich einfach zurücklehnen konnte - bis zur nächsten Jahresrechnung.
Heute reagiert der Versorger im besten Fall mit einem mehrseitigen Schreiben, angereichert mit diversen Gerichtsurteilen, die dem Protestkunden die Rechtmäßigkeit seiner Preisanhebungen schmackhaft machen sollen. Im schlimmsten Fall droht der Energieversorger mit der Einstellung der Versorgung, wenn der Verbraucher nicht zahlt.
Von solchen Einschüchterungsversuchen braucht sich kein Energiepreisprotestler abschrecken lassen - vorausgesetzt, er beachtet zehn Gebote beim richtigen Umgang mit seinem Energieversorger:
1. Widerspruch für Anfänger und Fortgeschrittene: Widersprechen Sie jeder Preisanhebung während des laufenden Jahres und auch der Jahresendabrechnung. Kündigt der Versorger eine Preisabsenkung an, widersprechen Sie dieser ebenfalls mit der Maßgabe, dass die Senkung zu gering ist. Begründen müssen Sie Ihren Widerspruch nicht. Bietet Ihnen Ihr Versorger stillschweigend neue Vertragsbedingungen an, ohne den Vertrag zu kündigen, widersprechen Sie vorsorglich und schriftlich. In diesem Zusammenhang sollten Sie auch prüfen, ob Sie eine geeignete Rechtsschutzabsicherung haben, etwa über den Prozesskostenfonds.
2. Wenn das Gericht mahnt: Erhalten Sie einen gerichtlichen Mahnbescheid wegen angeblicher Forderungen, so sollten Sie auf jeden Fall im beigefügten Formular die Rubrik "Ich widerspreche dem Anspruch insgesamt" ankreuzen und an das Mahngericht zurückschicken (einfacher Brief genügt). Bitte achten Sie darauf, dass Sie für den Widerspruch nur zwei Wochen bis zum Eingang beim Mahngericht Zeit haben. Versäumen Sie die Frist, ist aber noch nichts verloren. Der Versorger muss erst aufgrund des Mahnbescheides einen sogenannten Vollstreckungsbescheid beantragen. Der Widerspruch gegen den Mahnbescheid wirkt dann automatisch gegen den Vollstreckungsbescheid, weil Sie auch gegen diesen Einspruch einlegen können. Danach muss der Versorger erst einmal seinen Anspruch ausführlich begründen. Sie können derweil abwarten oder sich in aller Ruhe rechtlichen Beistand suchen, da solche Verfahren oft Jahre dauern und Sie in dieser Zeit weiterhin durch Kürzungen bares Geld sparen.
3. Jahresrechnung prüfen: Wenn Sie Ihre Jahresrechnung erhalten, prüfen Sie die dort ausgewiesenen Preise. Wenn Sie in der Vergangenheit einen konkreten Preis zu Grunde gelegt haben, prüfen Sie, ob die aktuellen Preise inzwischen unter dem von Ihnen gezahlten Niveau angekommen sind. In diesem Fall bedanken Sie sich für die Preisabsenkung und teilen Ihrem Versorger mit, dass Sie ab sofort diesen geringeren Preis zu Grunde legen werden.
4. Abschläge neu berechnen: In den Jahresabrechnungen teilt der Versorger auch die neuen Abschläge mit. Um Ihren eigenen monatlichen Abschlag zu ermitteln, teilen Sie die Forderung, die Sie akzeptieren, durch die Zahl Ihrer Abschlagszahlungen, zum Beispiel den Faktor 12.
5. Sanierer zahlen noch weniger: Sie haben modernisiert und erwarten daher eine noch niedrigere Jahresrechnung? Führen Sie selbst eine Zwischenablesung durch, etwa zur Jahresmitte. Stellen Sie fest, dass Ihr Verbrauch gegenüber dem Vorjahr drastisch gesunken ist, berechnen Sie den voraussichtlichen Jahresverbrauch neu und teilen Sie dies dem Versorger mit der Maßgabe mit, die Abschläge entsprechend zu kürzen.
6. Wechseln geht immer: Haben Sie endgültig genug von dem Preisgebaren Ihres bisherigen Versorgers und erwägen Sie einen Wechsel, darf ihr bisheriger Versorger diesen nicht wegen Ihrer Zahlungskürzungen aus der Vergangenheit verhindern. Ein solcher Versuch wäre rechtswidrig.
7. Verjährungsfristen beachten: Haben Sie unter Vorbehalt gezahlt und wollen nun die ungerechtfertigt getätigten Zahlungen zurück erhalten, müssen Sie die Verjährung beachten. Die Gerichte vertreten inzwischen fast einhellig die Auffassung, dass der Rückforderungsanspruch überzahlter Entgelte aus Energielieferung einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt. Die Verjährung beginnt am 1. Januar des Jahres, das auf die Übersendung der fraglichen Jahresrechnung folgt. Rückforderungsansprüche aus einer Jahresrechnung von 2007 verjähren also am 31. Dezember 2010.
8. Verjährte Zahlungen aufrechnen: Die Verjährung einer Rückforderung bedeutet jedoch nicht automatisch, dass Sie den Anspruch gänzlich verloren haben. Beziehen Sie aus Energielieferung - oder einem anderen Versorgungsverhältnis - zu diesem Versorger noch entgeltpflichtige Leistungen, können Sie auch mit verjährten Forderungen Ihrerseits in diesem Zusammenhang weiterhin aufrechnen, etwa bei künftigen Jahresrechnungen.
9. Wenn der Versorger aufrechnet: Stellen Sie in Ihrer Jahresabrechnung fest, dass Ihr Versorger gezahlte Abschläge nicht berücksichtigt hat, etwa wegen einer Verrechnung mit Altforderungen, widersprechen Sie den Verrechnung gemäß § 366 BGB und ziehen Sie die tatsächlich gezahlten Abschläge von der Jahresrechnung ab und informieren Sie Ihren Versorger darüber.
10. Nur schwarz auf weiß: Vertrauen Sie keinen mündlichen oder telefonischen Aussagen Ihres Versorgers. Nur schriftliche Zusagen werden im Falle einer streitigen Auseinandersetzung beweisbar sein. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, mit Ihrem Versorger nur schriftlich zu korrespondieren. Teure Einschreiben können Sie sich sparen, denn sie beweisen lediglich, dass Sie dem Versorger etwas übersandt haben, nicht aber den Inhalt der Sendung. Besser ist es, ein entsprechendes Schreiben per Boten persönlich zu übermitteln, per Fax mit Inhaltsnachweis oder auch per E-Mail. Erhalten Sie dennoch eine Sperrandrohung wegen angeblicher Rückstände, suchen Sie sofort rechtlichen Beistand.
Verbraucher, die diese Grundsätze beherzigen, sind auch in Zukunft für den Preisprotest gewappnet. Wie die jüngsten Gerichtsentscheidungen zeigen, reichen diese schon aus, erfolgreich an der Protestfront weiter zu arbeiten. Juristische Kenntnisse sind dazu nicht notwendig. Protestkunden können sich also weiterhin entspannt zurücklehnen.
(Energiedepesche, 10. März 2010) Mit freundlicher Genehmigung von Bund der Energieverbraucher

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