Bleibt AKW Brunsbüttel vom Netz?

Die Grüne Landtagsfraktion hat ein Rechtsgutachten zur Frage des Erlöschens der Betriebsgenehmigung für das AKW Brunsbüttel in Auftrag gegeben.
Die Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm kommt zu dem Ergebnis, dass für das AKW Brunsbüttel die Berechtigung zum Leistungsbetrieb erloschen und eine Wiederinbetriebnahme unzulässig ist. Seit dem 27. Juli 2007, das sind fast dreieinhalb Jahre, ist das AKW ununterbrochen vom Netz und produziert keinen Strom.

Gemäß Paragraf 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG (Bundes-Immissionsschutz-Gesetz) erlischt eine Genehmigung, "wenn eine Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren nicht betrieben worden ist." Das ist bei dem Atomkraftwerk Brunsbüttel der Fall.

Das Atomgesetz verweist in Paragraf 7 Abs. 4 S. 3 auf die Grundsätze des o.g. Paragraf 18 BImSchG, somit gilt die Dreijahresregel auch für das AKW Brunsbüttel. Diese Rechtsfolge tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer behördlichen Maßnahme bedarf.

Um den Atommeiler wieder anfahren zu lassen und ans Netz zu bringen, muss der Betreiber ein neues Genehmigungsverfahren beantragen, denn die alte Genehmigung ist durch Zeitablauf erloschen. Im neuen Genehmigungsverfahren müssen die Auswirkungen des Betriebs auf die Nachbarschaft und die Umwelt, die sich inzwischen auf das dauerhafte Unterbleiben der Emissionen eingestellt haben, geprüft werden. (Dezember 2010)

HIER zum Gutachten

AKW Brunsbüttel

AKW Brunsbüttel

Geschichte und Störfälle des Reaktors

Der Siedewasserreaktor, der seit 31 Jahren läuft (1976)  gehört
66.7% Vattenfall, 33,3% E.off

Daten hier

Wochenlang hatte Vattenfall die meldepflichtigen Störungen des Reaktors in der Schublade verschwinden lassen.
Der Reaktor wurde heruntergefahren.

Nun wurde auf massivem Druck von Politik und Initiativen diese Liste vom Ministerium veröffentlicht.
Hier gehts zur Mängelliste



Vattenfall ist das Strahlen vergangen
Wegen des enormen Drucks lässt Vattenfall seine Problem-AKWs vorerst außer Betrieb - Die Pannen sind ein herber Rückschlag

"Wir haben die Aufgabe, alle Kernkraftwerke so zu betreiben, dass wir das Vertrauen der Gesellschaft verdienen." Seit Kurzem ist Lars G. Josefsson, Chef des schwedischen Vattenfall-Konzerns, sehr bemüht, in Deutschland wieder Vertrauen herzustellen. Deshalb hat Vattenfall nun auch beschlossen, seine beiden Pannenmeiler Krümmel und Brunsbüttel (beide in Schleswig-Holstein) so lange abgeschaltet zu lassen, bis alle Sicherheitsuntersuchungen abgeschlossen sind.

In Krümmel hat Ende Juni ein Transformator gebrannt, Brunsbüttel musste wegen eines Kurzschlusses in einer externen Schaltanlage per Schnellabschaltung heruntergefahren werden. Fast noch mehr als die Pannen hat die Deutschen jedoch die Informationspolitik von Vattenfall in den Tagen danach aufgeregt: Nur zögerlich gab der Energieriese Informationen über die Probleme heraus. Die derzeitige Pause kann noch wochenlang dauern, was Vattenfall eine Stange Geld kostet; eine Million Euro pro Tag.

Chef wurde gefeuert

Vattenfall hat zwar mittlerweile den deutschen Atom-Chef und den Europa-Chef gefeuert, doch der Vertrauensverlust in Deutschland geht tief. Ökostromanbieter verzeichnen derzeit auf Kosten von Vattenfall einen wahren Kundenansturm. Der Marktführer "Lichtblick" hat in Berlin 3000 Kunden von Vattenfall hinzugewonnen, in Hamburg 2000. "Die aktuellen Störfälle sind für viele der letzte Kick zu wechseln", heißt es bei Greenpeace Energy, wo man sich ebenfalls monatlich über 400 wechselwillige Stromkunden freut.

Die jüngsten Zwischenfälle sind auch ein schwerer Rückschlag für jene Stimmen in der Union, die eine Renaissance der Kernkraft forcieren. Zwar ist Politikern von CDU und CSU klar, dass der unter Rot-Grün beschlossene Atomausstieg in der derzeitigen politischen Konstellation nicht rückgängig gemacht werden kann, weil die Sozialdemokraten nie und nimmer mitziehen würden, doch viele in der Union denken schon an die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl 2009, wo man möglicherweise mit der ebenfalls AKW-freundlichen FDP koalieren könnte.


Die SPD triumphiert


Daher sind sie über Umweltminister Sigmar Gabriel höchst verärgert. Der Sozialdemokrat nutzt die Pannenserie geschickt, um den Anti-atomkurs seiner Partei weiter anzuheizen. Er fordert nun eine Beweislastumkehr im Atomgesetz. Dann müsste nicht mehr die Atomaufsicht Mängel im Betrieb nachweisen, sondern die AKW-Betreiber den sicheren Betrieb ihrer Anlage.


Zudem drängt Gabriel darauf, ältere Meiler noch früher abzuschalten als im Atomgesetz bereits vorgesehen: "Wir müssen von diesen Gefährdungsreaktoren weg." Doch damit können sich weder Energieunternehmen noch einige Unionspolitiker anfreunden. Das würde zu höheren Strompreisen führen, sagen sie, weil die AKW-Betreiber vor allem mit den alten, steuerlich abgeschriebenen Meilern Geld machen.


Doch angesichts der immer neuen Pannen beginnt nun auch die Front der Atomfreunde in der Union zu bröckeln. "Wir sind klug beraten, wegen der unkalkulierbaren Risiken der Atomenergie den zwischen Industrie und Politik ausgehandelten Konsens im Grundsatz einzuhalten", sagt zum Beispiel Friedbert Pflüger, Chef der Berliner CDU-Fraktion und Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel.


Seit dem Beschluss zum Atomausstieg 2002 wurden zwei deutsche AKWs abgeschaltet, die restlichen 17 sollen bis 2021 vom Netz.

(Birgit Baumann, DER STANDARD Printausgabe, 28.7.2007)