AUSAUSAUSAUSAUSAUS -- zu Stilllegungsneuigkeiten siehe nächste Seite.

Nach 35 bzw. 37 Jahren Laufzeit, nach hunderten unsäglichen Störfällen ist es jetzt endlich klar:

Das AKW Biblis von RWE geht nicht mehr als Netz - ist eine strahlende Ruine - ein Symbol einer verfehlten Energiepolitik muss über Jahrzehnte hinweg für viele, viele hundert Millionen zurückgebaut werden, entlässt hunderte Spezialist/innen in die Arbeitslosigkeit (wo sie bestimmt bei den Herstellern Betreibern von Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien gebraucht und aufgenommen werden)

Dies ist ein weiterer großer Erfolg der AntiAtom-Bewegung.

Das Atomkraftwerk Biblis B mit 21 "meldepflichtigen Ereignissen" beim Anfahren besonders heraussteche. Besonders auffällig sei die Häufung mit zehn Vorfällen in der Zeit von Mitte 2009 bis Mitte 2011. Darunter war auch eine Reaktorschnellabschaltung. Das seien mehr Pannen als in jedem der anderen Reaktoren seit 1991.

Beispiel aus der letzten Zeit:
12.06.11    Biblis B: Ausfall einer Notkühlpumpe
14.06.11    Biblis A: Defekt in Lüftungsanlage
21.06.11    Kabeldefekt verursacht Vorkommnis im Block B des Kernkraftwerks
27.06.11    Biblis B: 2 "Vorkommnisse"
30.06.11    Biblis B: 1 "Vorkommnis"
01.07.11    Biblis B: RWE meldet 2 Vorkommnisse im Kernkraftwerk
25.07.11    Biblis B: Abschaltung zweier Kühlpumpen wegen Druckschwankungen
26.07.11    Biblis B: Kühlpumpenabschaltung wegen auffälliger Geräusche
Alle Vorkommnisse, wohlgemerkt, im abgeschalteten AKW-Zustand...

Das damit noch nicht alles vorbei ist, zeigen nun viele neue Fragen:
Wann wird rückgebaut?
Wieviel kostet das und wer bezahlt das?
Wo kommen die Trümmer hin?

Und wann werden die anderen Kraftwerke endlich stillgelegt?

Große Missstände

Missstände lassen sich nicht einfach wegdiskutieren

IPPNW-Presseinformation vom 3. August 2007


Alle deutschen AKWs laufen seit 1994 (Bundeskanzler Kohl) verfassungswidrig!

BMU 1999: Alle AKW entsprechen nicht dem geforderten Sicherheitsmaßstab

Nach Angaben der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW steht der Betrieb der deutschen Atomkraftwerke nicht in Einklang mit den Bestimmungen des Atomgesetzes und den Grundsätzen des Kalkar-Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Ein älteres Papier der Bundesregierung bestätigt, dass die deutschen Atomkraftwerke nicht rechtmäßig betrieben werden.

Das Atomgesetz schreibt den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik als zentralen Sicherheitsmaßstab für Atomkraftwerke vor. Für den Fall, dass eine Anlage diesen Sicherheitsstandard nicht mehr erfüllt, sieht das Atomgesetz den "Widerruf" der Betriebsgenehmigung, also die endgültige Stilllegung vor. Die Argumentation der Atomindustrie, die Atomkraftwerke müssten heute lediglich den alten Sicherheitsstandards während der Zeit der Genehmigung vor rund 30 Jahren genügen, ist falsch. Denn der Widerruf laut Atomgesetz ist für den Fall vorgesehen, dass der Sicherheitsstandard "später", also während der Betriebsphase nicht mehr gegeben ist.

Im einschlägigen Kalkar-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die deutschen Atomaufsichtsbehörden (meist Umweltministerien) dazu verpflichtet, einen "dynamischen Grundrechtsschutz" zu gewährleisten. Das bedeutet, dass die Behörden dafür zu sorgen haben, dass die Atomkraftwerke beispielsweise durch Nachrüstungen auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Ist dies nicht der Fall, dann darf ein Atomkraftwerk nicht betrieben werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat hierbei ausdrücklich die für die Atomaufsicht zuständigen Ministerien (die Exekutive) in die Pflicht genommen, weil die Behörden sehr viel schneller reagieren könnten als der Gesetzgeber. Entsprechend resultiert aber auch eine Verpflichtung der Aufsichtsbehörden, den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik tatsächlich durchzusetzen bzw. den weiteren Betrieb von Atomkraftwerken zu unterbinden, wenn der erforderliche Sicherheitsstandard nicht mehr gewährleistet werden kann.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund haben leitende Juristen der Bundesatomaufsicht in einem internen Papier vom 12. August 1999 festgestellt: "Alle laufenden Atomkraftwerke wären nach diesem Maßstab heute nicht mehr genehmigungsfähig. Laufende Atomkraftwerke entsprechen damit heute nicht mehr einem Sicherheitsmaßstab, der vom Atomgesetz nach neuem Stand von Wissenschaft und Technik gefordert ist."

Die Bundesbeamten machen explizit deutlich, dass sowohl die ganz alten als auch die zuletzt errichteten "Konvoianlagen" (Neckarwestheim-2, Emsland, Isar-2) nicht mehr den rechtlichen Erfordernissen genügen: "Anlagen, die nicht zu den sog. Konvoi-Anlagen zählen (d.h. die älteren Anlagen), entsprechen konzeptionell und in der Ausführung in weiten Teilen auch nicht mehr dem Stand der Technik, soweit er im kerntechnischen Regelwerk festgeschrieben ist. In einzelnen technischen Merkmalen fallen auch bereits die Konvoi-Anlagen hinter den heutigen Stand der Technik zurück. Beispiele sind Maßnahmen zur Erhöhung der Abschaltsicherheit und zur Erhöhung der Zuverlässigkeit von Notkühlung und -bespeisung."

Ebenso bestätigte beispielsweise auch das Hessische Umweltministerium in internen Behördenvermerken, dass das Atomkraftwerk Biblis "selbstverständlich" nicht mehr dem "aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik" entspricht.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Betrieb von Atomkraftwerke nur dann als zulässig erklärt, wenn der Stand von Wissenschaft und Technik gewährleistet ist. Da dies nach Bewertung der Behörden nicht der Fall ist, erweist sich der Betrieb der deutschen Atomkraftwerke als rechtswidrig.

Siehe auch:
Interview mit dem ehemaligen Leiter der Bundesatomaufsicht, Wolfgang Renneberg:

http://www.ippnw.de/atomenergie/atom-recht/artikel/398e3988b2/die-behoerde-handelt-rechtsfehlerha.html

Biblis-Klage der IPPNW:
http://www.ippnw.de/atomenergie/atom-recht/artikel/f86d481626/ippnw-klagt-auf-stilllegung-des-atom.html

Kontakt: Henrik Paulitz (Atomenergieexperte), Tel. 0032-485-866 129
Angelika Wilmen (Pressesprecherin), Tel. 0162-205 79 43



Atomkraftwerk Biblis

Die IPPNW informierte am 1. August die Öffentlichkeit über Aussagen von zwei ehemals in Biblis tätigen Fachleuten über gravierende Missstände in dem hessischen Atomkraftwerk. Inzwischen gibt es Äußerungen der Betreibergesellschaft RWE, der Hessischen Atomaufsicht und des Bundesumweltministeriums zu den Vorwürfen. Diese Dementis ändern nach Auffassung der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW nichts an der Tragweite der geschilderten Missstände. Zum Sachstand stellt die IPPNW fest:

1. Teile der "älteren" Vorwürfe des in Biblis B eingesetzten Fachmanns wurden inzwischen offiziell zugegeben (u.a. fehlende "Stempelfelder" beim Notkühlsystem, Wasseransammlungen in Rohrleitungskanälen des Notkühlsystems).

2. Zwei ehemals im Atomkraftwerk Biblis tätige Fachleute, die sich nicht kennen und sich nie getroffen haben, sagten aus, dass im Atomkraftwerk Biblis technische Pläne von Sicherheitssystemen nicht der Realität entsprächen, dass technische Pläne "manipuliert" worden seien, dass zum Teil zu wenig Personal verfügbar gewesen sei, dass unqualifiziertes Personal eingesetzt worden sei und dass Arbeiten an sicherheitstechnisch wichtigen Komponenten wegen der hohen Strahlenbelastung teilweise unter sehr großem Zeitdruck habe durchgeführt werden müssen.

3. Die unter Punkt 2 von dem in Biblis B eingesetzten Fachmann genannte Missstände in Biblis B wurden bisher bestritten. Der vormals in Biblis A tätige Fachmann bestätigt nun als neuer und unabhängiger Zeuge diese Vorwürfe. Das steht in Widerspruch zu den Dementis von RWE, TÜV Süd und der Hessischer Atomaufsicht.

4. Der Umstand, dass die Bundesatomaufsicht den von der IPPNW im März 2005 angestoßenen Vorgang zu den Aussagen des Fachmannes in Biblis B bis heute nicht abgeschlossen hat und dass u.a. ein weiteres "Fachgespräch" zu dem Thema angedacht ist, zeigt, dass die Vorwürfe des in Biblis B tätigen Fachmanns seitens der Bundesatomaufsicht keineswegs abgetan werden, auch wenn die Pressestelle des Ministeriums gegenüber Journalisten dies derzeit möglicherweise anders darstellt.

5. Die sicherheitstechnischen Defizite aufgrund der in den 1990er Jahren sowie in den Jahren 2001 und 2002 von den Fachleuten benannten Missständen sind allenfalls teilweise behoben. Es ist nicht anzunehmen, dass zwischenzeitlich mehrere hunderte Rohrleitungsstücke des Notkühlsystems wegen der fehlenden nicht auffindbaren bzw. nicht lesbaren "Stempelfelder" ausgetauscht worden sind (so wie es in Chemieanlagen offenbar üblich ist). Somit aber steht aktuell im Jahr 2007 die Qualität des Notkühlsystems in Biblis B massiv in Frage.

6. Atomkraftwerke sind sehr große und hochkomplexe Anlagen mit tausenden von sicherheitstechnisch wichtigen Teilen, die allesamt Fehler aufweisen können. Wenn RWE nun betont, dass man die Schäden an der Gebäudeabschlussklappe, die am 5. Juni 2002 nicht funktionierte, behoben hat, so beschreibt RWE damit nur eine Selbstverständlichkeit. Das sagt aber nichts darüber aus, welche Schäden an den vielen tausend anderen Stellen in den beiden Atomkraftwerksblöcken in Biblis möglicherweise vorhanden sind. Der in Biblis A tätige Fachmann berichtet von vielen fehlerhaften Arbeiten und notdürftigen Reparaturen an verschiedenen Stellen, ohne dass der TÜV das immer mitbekommen habe. Er befürchtet konkret, dass es viele weiter Fehler gibt. Die monatelangen Inspektionen in den Jahren 1995 und 1996 in Biblis B, bei denen nur wenige Sicherheitssysteme überprüft wurden, machen deutlich, welcher Aufwand für derartige Untersuchungen erforderlich ist.

7. Auch durch Funktionsprüfungen einzelner Komponenten lassen sich vorhandene Fehler nicht unbedingt finden. Denn erstens müssen die Bedingungen bei einem Störfall nicht völlig identisch mit denen bei einer Prüfung sein. Zweitens müssen "notdürftig" - jedoch nicht fachmännisch - behobene Schäden bei einer Prüfung der betreffenden Komponente nicht auffallen, können aber dennoch im Notfall zum Versagen führen. Wie sich bei der Auswertung meldepflichtiger Ereignisse zeigte, sind es manchmal nur geringfügig falsch eingestellte elektronische Bauteile, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Versagen einer Komponente führen.

8. Der Einsatz von wenig qualifizierten "Hilfskräften" und Leiharbeitern, die drastische Verkürzung von Revisionszeiten, ein zunehmender enormer Zeitdruck sowie die Durchführung von sicherheitstechnisch sensiblen Arbeiten in Strahlenbereichen in 10-Stunden-Schichten ist ein von der Atomaufsicht offiziell bestätigtes aktuelles Problem in Atomkraftwerken. Der im Wartungsgeschäft für Atomkraftwerke tätige Siemens-Konzern lobte sich vor Jahren mit der Aussage, man habe im Siedewasserreaktor Isar-1 mit 40% Hilfskräften insgesamt 14 Steuerstabantriebe "in der Rekordzeit von zwei Wochen ausgetauscht". Zuvor wurden laut Siemens in der gleichen Zeit nur zwei bis drei Antriebe inspiziert und überholt.

1998 hatte Siemens im Atomkraftwerk Neckarwestheim-1 die Kraftwerkssteuerung in sicherheitsrelevanten Bereichen auf digitale Leittechnik umgerüstet. Siemens schrieb in einer Veröffentlichung von einem "Rekord" und von einem "Traumstart", weil das neue System in nur 19 Tagen installiert wurde. Am 10. Mai 2000 war laut Reaktorsicherheitskommission die nachgerüstete digitale Leittechnik dafür verantwortlich, dass bei einer Störung die Steuerstäbe des Reaktorkerns blockiert waren. Das Vorkommnis sorgte in Fachkreisen für erhebliche Unruhe, nicht zuletzt auch deswegen, weil die unausgereifte digitale Leittechnik auch in anderen Atomkraftwerken wie z.B. Biblis nachgerüstet wurde bzw. werden soll.

9. Der in Biblis A tätige Fachmann war während seines Einsatzes in Biblis Mitarbeiter von Siemens. Der in Biblis B eingesetzte Fachmann war während seines Einsatzes in Biblis für eine andere Firma im Unterauftrag von Siemens tätig. Ihre Vorwürfe über teilweise unqualifiziertes Personal, Zeitdruck und fehlerhafte elektrotechnische Arbeiten (bzgl. Biblis A) erscheinen vor dem Hintergrund der unter Punkt 6 skizzierten, langjährigen "Sicherheitskultur" bei Siemens hoch plausibel. Siemens hat sich nach unserem Kenntnisstand bislang nicht differenziert und umfassend zu allen vorgetragenen 24 Vorwürfen geäußert.

10. Die IPPNW hat in ihrer Pressemitteilung vom 1. August 2007 zutreffend dargestellt, dass die Wasseransammlungen im Keller des Reaktorgebäudes von Biblis B zugegeben wurden und dass die Ursache dieser Wasseransammlungen bislang noch strittig ist. Der in Biblis B tätige Fachmann sagt aus, dass ein Strahlenschützer von RWE ihm mitgeteilt habe, dass bei Hochwasserständen des Rheins Wasser in das Reaktorgebäude von Biblis B eindringt.

11. Die unbestrittene Tatsache, dass es Wasseransammlungen im "Keller" des Reaktorgebäudes von Biblis B gab, stellt unabhängig von der Ursache eine mögliche Gefahr dar. Denn dort befinden sich viele sicherheitstechnisch wichtige Komponenten, unter anderem so genannte Messwertumformer (Transmitter), die als feuchtigkeitsempfindlich gelten. Auf unsere Fragen an die Atomaufsicht vom 19. Juni 2006, welche Luftfeuchtigkeit in den betroffenen Räumen bislang maximal gemessen wurde und ab welcher Luftfeuchtigkeit es zum Ausfall dieser für die Kraftwerkssteuerung enorm wichtigen Komponenten kommen kann, haben wir bis heute keine Antwort bekommen.

12. Die vier Rohrleitungskanäle des Notkühlsystems, in denen nach den Beobachtungen des Fachmanns in Biblis B offenbar sehr viel Wasser stand (sichtbar anhand von "Salzausblühungen"), fassen jeweils rund 7,6 Kubikmeter Wasser. Der TÜV Süd stellt in seinem Schreiben vom 11. März 2005 lediglich eine Vermutung über die Ursache der Wasseransammlungen an ("[.] erklärt sich u.E. [.]". Eine gesicherte Erklärung wurde bemerkenswerter Weise nicht abgegeben. Es stellt sich die Frage, warum der TÜV Süd nicht wirklich weiß, wie sich wiederholt mehrere Kubikmeter Wasser in Rohrleitungskanälen des Reaktorgebäudes ansammeln können. Unsere Nachfragen vom 19. Juni 2006 zur Herkunft der mehreren Kubikmeter Wasser blieben bis heute unbeantwortet.

Kontakt:
Henrik Paulitz, Fachreferent Atomenergie, Tel. 0171-53 888 22
www.IPPNW.de