Westsachsen

Uranabbau in Deutschland und deren "Entsorgung"

Bildungsreise zu Wismut AG in die Region Zwickau - Schneeberg - Aue - Schlema

Westsachsen, ehemaliges Uranerzabbaugebiet

Am Wochenende 13./14. April 2002 wiesen 12 Interessierte aus dem Raum Bamberg, sowie aus München und Göttingen auf einer vom Vierether Kuckucks-Ei e.V. organisierten Fahrt nach Zwickau auf die Probleme hin, die mit dem Betrieb von Atomkraftwerk untrennbar verbunden sind: Die Gewinnung des Uran-Brennstoffs führt zu gewaltigen Schäden an Umwelt, Landschaft sowie Lebensqualität der Betroffenen vor Ort.
In Ostthüringen und Westsachsen (Aue und Zwickau) hat die SDAG (sowjetisch-deutsche Aktien Gesellschaft) Wismut von ca. 1950 bis 1989 Uranerz für das sowjetische Atomprogramm gefördert. Nach der Wende wurde der Betrieb eingestellt und die Verantwortung für dabei entstandene Altlasten ging auf die BRD über. Die Aktiven vom Vierether Kuckucks-Ei e.V. haben sich dort über die Möglichkeiten und deren Umsetzung zur Sanierung der Hinterlassenschaften des Uran-Abbaus in einer dicht besiedelten Kultur- und Wirtschaftsregion informiert.

Am Bahnhof in Zwickau begrüsste Erwin Killat, Ehrenbürger der Stadt Zwickau, die Besucher am Samstag Mittag. Für den Nachmittag stand eine Besichtigung der IAA Helmsdorf - keine Konkurrenz zur Automobilschau in Frankfurt, sondern der Industriellen Absetz-Anlage, im Volksmund auch schlicht "Schlammteich" genannt, auf dem Programm. Der stellvertretende Direktor der Sanierungsarbeiten, Herr Horst Weigelt, führte die Besuchergruppe mit Gummistiefeln sicher durch das Gelände, erläuterte das Konzept der Sanierung und beantwortete geduldig alle auftauchenden Fragen. In den IAA wurden radioaktive Schlämme gelagert, die beim chemischen Auswaschen des Urans aus dem Erz anfallen und neben einer Restmenge Uran noch giftige Chemikalien enthalten, v.a. Arsen als Nebenbestandteil des Erzes, sowie Schwefel- und Salzsäure von der Verarbeitung. 150 Millionen Kubikmeter Schlamm lagern bis zu ca. 45 m mächtig hinter einem Damm aus Lehm, so daß kontinuierlich die Giftstoffe vom Regen ins Grundwasser gespült werden und akut die Gefahr besteht, dass bei einem Dammbruch eine Giftschlamm-Flut bewohnte Ortschaften verwüstet und zugleich verseucht.

Als mit dem Einigungsvertrag dem Bund die Verantwortung für dieses sowjetisch-DDR-geführte Projekt zufiel, mußte ein Kompromiß zwischen notwendiger Sanierung und immenser Kosten gefunden werden. So wurde auf einen Abtransport des als schwach-aktiven Atommülls eingestuften Schlamms in ein Endlager ebenso verzichtet wie auf die Errichtung einer Rückhaltevorrichtung für Sickerwässer. Man verfolgt das Konzept, zunächst die rund 49 Millionen Tonnen Schlamm trockenzulegen, damit dieser nicht mehr ins Tal fließen und soweit fest wird, daß er befahren und abgedeckt werden kann. Das dafür abzupumpende Wasser enthält so große Mengen Uran (6 Tonnen) und Arsen (7500 Tonnen), dass es speziell gereinigt wird, bevor es in den örtlichen Fluß, die Zwickauer Mulde, eingeleitet werden kann. Der durch sinkenden Wasserstand zutage tretende "Schlamm-Strand" wird mit Vlies, Kunststoffgitter und Haldenmaterial abgedeckt, damit nicht weiter giftiger Staub von der austrocknenden Schlammfläche in die Stadt geweht wird. Bis ca. 2010 soll der trockene Schlammkörper mit wasserdichten Tonschichten abgedeckt werden, die in Verbindung mit geeigneter Konturierung (keine abflußlosen Senken!) dafür sorgen, daß kein Regenwasser mehr in den Schlamm eindringt und so auch kein Sickerwasser mehr ins Grundwasser abgegeben wird.

Der zweite Tag war ganz dem Bergbau gewidmet:
Der Hauptamtsleiter, Herr Möckl, und der Umweltbeauftragte von Schlema, zeigten der Gruppe die Folgen von 50 Jahren intensivsten Uran-Bergbau in einer dicht besiedelten Kulturlandschaft mitten in Europa. Die aufgegebenen unterirdischen Bauwerke, Stollen und Schächte bereiten den Bewohnern massive Schwierigkeiten:
Der Bergbau dicht unter der Erdoberfläche gefährdet Gebäude, so sind bereits ganze Häuser buchstäblich vom Erdboden verschluckt worden, weil Stützpfeiler der Stollen baufällig werden und das Deckgestein einbricht. Der Uran-Bergbau zu DDR-Zeiten reichte bis in 1800 Meter Tiefe und hinterließ neben z.T. einsturzgefährdeten Schächten auch riesige Abraumhalden tauben Gesteins. Aus den Bergwerken und den Halden droht radioaktives Wasser ins Grundwasser zu gelangen. Es müssen also bis auf lange Zeit - es waren Zeitspannen von 200 Jahren im Gespräch - entstehende Sickerwässer abgepumpt und gereinigt werden.

Schlema wurde zusätzlich von sozialen Problemen besonders hart getroffen:
Vor dem 2. Weltkrieg war die Stadt ein elegantes Kurbad mit Radon- und Sole-Anwendungen mit ca. 5000 Einwohnern. Zu Spitzenzeiten des Uranabbaus verwandelte sich Schlema in eine Goldgräberstadt, wie man sie aus Wild-West-Filmen kennt: 15000 Bergleuten die ohne Familien aus allen Teilen der DDR wie Glücksritter mit den entsprechenden Begleiterscheinungen wie Schlägereien, Saufgelage, Vergewaltigungen usw. Nach Ende des Abbaus schnellte die Arbeitslosigkeit hoch und Schlema sank wieder unter 5000 Einwohner - vom eleganten Kurort blieb eine Industrie- und Ruinenwüste. Man ist als Fremder starken Zweifeln ausgesetzt, welcher Berg dort "echt" und welcher nur eine Abraumhalde ist.

Der Bürgermeister sieht die visionäre Lösung in der Besinnung auf die alte Tradition als Kurbad und setzt auf touristische  Entwicklung. Allen Problemen zum Trotz hat sich Schlema schon ein gutes Stück entwickelt und bietet seinen Gästen neben einem Besucherbergwerk auch schon wieder, einen Kurpark, einen Golfplatz und ein Planetarium sowie ein modernes Solebad (bis 42 Grad) mit Radonanwendungen. Da die Stadt und ihre Sanierung ein externes Expoprojekt war, kann man in einem Museum die Geschichte der Stadt und des Bergbaus überhaupt hervorragend aufgearbeitet studieren. Die Vereinsmitglieder fragten sofort kritisch nach wieso Radon einerseits Strahlenschäden erzeugt und hier plötzlich gesund sein soll. Als Antwort auf dieses Paradoxon haben medizinischen Studien gezeigt, daß Radon, für verschiedene Krankheiten, wie z.B. Rheuma heilende oder zumindest lindernde Wirkung entfaltet.

Die gesetzliche Regelung zur Wismut-Abwicklung klammert alle Anlagen aus der Sanierung aus, die vor 1962 bereits stillgelegt worden sind. Das betrifft 200 Schächte, der unterschiedlichsten Grösse. Hier muß die Bundesregierung eine Anschlußregelung finden, die nach Abschluß der jetzt laufenden Sanierungsarbeiten die nötigen Mittel bereitstellt, um auch diese älteren Altlasten zu beseitigen; es erscheint wenig sinnvoll, nur aufgrund eines Stichtages die Verseuchung des Grundwassers mit toxischen und radioaktiven Stoffen hinzunehmen und einen Teil aufzuräumen und den anderen nicht.

Auf der Rückfahrt nach Bamberg zeigten sich alle TeilnehmerInnen der Fahrt beeindruckt, wie sich diese gebeutelte Region trotz ihrer zentnerschweren Hypothek der Hinterlassenschaften der Uran-Ausbeutung nicht unterkriegen lässt, sondern die Probleme konstruktiv angepackt werden. Natürlich müssen dabei Kompromisse zwischen dem Wünschenswerten und dem Finanzierbaren gefunden werden, aber auch die jetzt laufende Teil-Sanierung der Wismut-Altlasten verbessert die Situation der Menschen in der Region erheblich.

2002