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Mahnwache: 28. Jahre Tschernobyl

Bamberg, Uferweg, 15 Uhr.

Vor 28 Jahren ist in Tschernobyl ein Atomreaktor explodiert und wir stehen hier an der Schildkröte, dem Denkmal für diese Katastrophe, damit nichts vergessen wird.
Danke an Karin Zieg für die Organisation, danke und Willkommen an alle Anwesenden. Im Jahr 2016 wird der Unfall 30 Jahre alt. Wir sollten uns gut auf diesen Termin vorbereiten, damit die Atomkatastrophe Tschernobyl und die Folgen nicht vergessen werden.

Die weißrussische Ärztin Sofia Berjozkinova half vor 28 Jahren den Kindern in der Umgebung des Atomkraftwerkes Tschernobyl. Vor fünf Wochen war sie in Budweis, sie diskutierte mit Studenten, und bedankte sich bei der Diözese Budweis für die Spenden und für die Organisation der Ferienaktionen für betroffene Kinder.
Warum in Budweis?
Die Stadt liegt nur wenige Kilometer entfernt vom Atomkraftwerk Temelin, bei dem jetzt – nach langem beharrlichen Einsatz von Anti-Atomkämpfern - auf den Ausbau verzichtet wird.

Der Frühling am 26. April 1986 war außerordentlich warm im Gomel - Gebiet, erläuterte die Ärztin. "Ich kann mich erinnern, wie die Sonne schien und ein angenehmer südlicher Wind wehte. Es war schon Abend, als ich gerufen wurde, dass ich schnell ins Bezirkskrankenhaus nach Choinik kommen muss," so beschreibt die weißrussische Kinderärztin die ersten Stunden nach der Katastrophe im Atomkraftwerk Tschernobyl. An die Augenblicke, die sie nie vergessen wird, hat sie folgende Erinnerungen: Evakuierung und Testen der Kinder, Geheimhaltung von Informationen und unterschätzende Beurteilungen der Risiken. Über die grausamen Erlebnisse  erzählte sie den Studenten der Pädagogischen Fakultät Budweis.
Den Kontakt zu Dr. Berjoszkinova haben die Südböhmischen Mütter gegen Atomkraft vermittelt.

"Es waren dort eine Menge Kinder, die wir auf die Strahlenbelastung getestet haben. Wir haben sie aus einem Umkreis von 30 Kilometern zur Klinik transportiert. Die Bedeutung der Situation haben wir erst begriffen, als am zweiten Tag Militärärzte aus Moskau gekommen sind. Sie hatten Strahlen-Messgeräte dabei und Atemmasken auf dem Gesicht, " erzählte Frau Dr. Berjozkinova in Budweis.

Die erste Hilfe bei der Bestrahlung lag in der Verteilung der Jod-Tabletten. Trotzdem leidet heute jeder vierte Mensch aus dem Risiko-Umkreis von Tschernobyl an Schilddrüsen-Defekten.

Eine nächste Erinnerung war die Evakuierung der Kinder. Kolonnen von Bussen und Zügen wurden aus der Zone evakuiert. "Kinder, die älter als drei Jahre waren, wurden ohne Eltern evakuiert. Die Evakuierung wurde begleitet vom Geschrei und dem Weinen der Kinder. Die Kinder hatten schon in diesem Augenblick Anzeichen der Strahlenbelastung. Monatelang wurden sie dann zu diversen Instituten, Schulen und Sporthallen im Land transportiert, " erinnert sich die Ärztin.

Noch ein Bild hat die Ärztin rege im Gedächtnis. Zur Zeit der Katastrophe wohnte sie in Gomel, ca. 150 km von Tschernobyl. "Die Menschen haben an dem Tag ein Glühen aus dieser Richtung gesehen. Niemand hat gewusst, was passiert ist. Am Abend brachte der Wind eine Menge von Staub, der auf die Häuser, Bewohner und Felder herunterfiel. Er war radioaktiv."

Heute, am 26. April 2014 standen auf Seite 1 der Frankenpost die aktuellen Belastungswerte von Pilzen und Wild.
Seit 1986 gibt es in der Ukraine Krankenhäuser, bei denen die Türen grundsätzlich verschlossen sind. Niemand soll sehen, wie Kinder leben und sterben.

Als Expertin arbeitet Dr. Berjozkinova bis heute im Gomel - Institut, das sich mit der Untersuchung der Folgen der Bestrahlung von Menschen auseinandersetzt. Viele Menschen waren der Meinung, dass so etwas wie in Tschernobyl nicht mehr passieren kann. Dann kam im Jahr 2011 die Havarie im japanischen Atomkraftwerk Fukushima.

Heute sagen die Wissenschaftler in Bezug auf die Katastrophe von Fukushima
"Die Kontamination des Grundwassers mit radioaktiven Stoffen muss unbedingt beendet werden". Und "Kein radioaktiv belastetes Wasser darf ins Meer fließen." Aber ä die Politiker und die Verantwortlichen der Betreiberfirma Tepco lassen das Wasser ins Meer fließen, so wie man es von Anfang an befürchten musste.

Leider waren weder Kyschtym in der damaligen Sowjetunion  > dort geschah 1957 ein schwerer Unfall  in einer kerntechnischen Anlage, noch  Harrisburg, noch der absolute Super-Gau in Tschernobyl, noch Fukushima genug. Es sind offenbar nicht genug Menschen gestorben - und es waren ja "nur" Nicht-Deutsche betroffen - ein Irrtum, an den viele Menschen nach wie vor glauben.  Dass seit über 30 Jahren immer mehr Kinder mit Missbildungen auf die Welt kommen, oder gar nicht erst geboren wurden und werden, und dass unendlich viele Menschen Krebs bekommen, wird von der Mehrheit der Bevölkerung überhaupt nicht realisiert. Über 30 Jahre-- das ist viel zu lange her? Fukushima ist viel zu weit weg? Ein fataler Irrtum, das lehren uns die vielen Krebstoten unserer Tage.

Das Versprechen zu großen Problemen gibt uns z. B.  Fessenheim an der französischen Grenze,  - erst am Osterwochenende gab es dort eine Abschaltung, und ich zitiere die Frankenpost vom Osterdienstag, 22. April:

"Nach dem vorzeitigen Verschluss eines Ventils hat sich der Reaktor Nummer zwei am Freitagabend automatisch abgeschaltet. Reaktor Nummer eins in Fessenheim steht nach einem Vorfall in der Wasserversorgung seit Anfang April still.
Die Atomreaktoren in Fessenheim sind seit Jahren vor allem in Deutschland heftig umstritten. Die französische Atomaufsicht ASN hatte das seit den 1970er Jahren betriebene Atomkraftwerk erst in dieser Woche weitgehend positiv beurteilt. Bei so alten Meilern sei es aber äußerst schwierig, die Technik auf den neuesten Stand zu bringen", hieß es.
Frankreichs Präsident François Hollande will das Atomkraftwerk Fessenheim bis Ende 2016 stilllegen. Bis zum Jahr 2025 soll der Atomanteil an der Stromversorgung von aktuell 75 auf 50 Prozent sinken. In Frankreich wird in 58 Reaktoren an 19 Standorten Atomstrom produziert.“

Und es gibt viele weitere Schrottreaktoren in Europa, z. B.:
Hinkley Point in Süd-England, Temelin und Dukovany in Tschechien, Grafenrheinfeld hier ums Eck, Pyhäjoki in Finnland, Paks in Ungarn oder Cernavoda in Rumänien auf erdbebengefährdetem Gebiet, Schweden und die Schweiz mit fast 40 % Atomstrom, AKW`s in der Slowakei und Slowenien uvam.

Ich bitte Euch um eine Minute Ruhe für die Opfer der Atomkraft.



Foto: Andreas Irmisch
Foto: Andreas Irmisch
Foto: Andreas Irmisch
Foto: Andreas Irmisch
Foto: Udo Benker-Wienands
Foto: Udo Benker-Wienands